Donnerstag, 22. September 2011

Zeitschema zur Veröffentlichung

Vorschläge zur Publikumserziehung (ein "Brecht-Begriff") für Blogger
von Reinhard Heinrich 
Abgesehen von dringenden Sondermeldungen erscheinen Zeitungen seit über 100 Jahren nach einen festen Zeitschema. Da gibt es die Morgenpost, das Abendblatt, den Sonntag, den Freitag etc. Der Erfolg solcher Veröffentlichungen hat mit technologischen Abläufen (Druckerei, Redaktion), aber auch mit Rezeptionsgewohnheiten (Leser-Dressur) zu tun.

Methode
Man kann Veröffentlichungen nach folgendem Zeit-Schema organisieren:

  • Ab 20:15 Uhr erscheinen Berichte ohne besondere Eile (BobE). Das können Wortmeldungen von Abgeordneten ("Lebenszeichen"), allgemeine Themen und Grundsatzartikel sein.
  • 13:00 bis 17:00 Uhr erscheinen Texte, die von den Print-Medien aufgegriffen werden sollen. Das ist die Arbeitszeit der Zeitungsleute für die morgige Ausgabe. Eine genaue Uhrzeit ist hier nicht erforderlich, Hauptsache rechtzeitig. Die Print-Journalisten sind auch nicht unsere Erziehungsobjekt sondern unsere Verbündeten.
  • 05:45 Uhr erscheinen Statements für die Morgen-Leser. Diese Zielgruppe ist klar umschrieben mit Leuten, die nach dem Aufstehen zuerst ins Internet schauen, um sich mit aktuellen "Nachrichten" zu versorgen. Zwar geschehen in der ganzen Welt die wichtigsten Ereignisse unabhängig von der Uhr, aber diese Menschengruppe glaubt in besonderem Maße an die Wichtigkeit von Strukturen. Wir dürfen sie nicht enttäuschen. 
    • Was ist der Unterschied zwischen einer Nachricht und einer "Nachricht" (Datenmüll)? - Eine Nachricht verändert meine Einstellung zum  Tage. Alles andere ist Datenmüll. (V. F. BIRKENBIHL) Morgennachrichten im Radio sind eine Mischung aus beidem. Beim DLF eine eher gute, bei PSR, Hitradio und dergleichen eine eher schwache.
Damit haben wir zwei Haupttermine und ein operatives Fenster. Die Haupttermine ( 20:15 Uhr  und 05:45 Uhr) dienen der Erziehung der Leser, das Fenster (13:00 bis 17:00 Uhr ) der Kooperation mit Print-Medien.

Nutzen
  1. Die Leserzugriffe werden, sobald Leser das Schema erkennen (ich bin nicht für öffentliche Ansage!) noch erkennbarer strukturiert. Die linke Gehirnhälfte sehnt sich nach Ordnung - auch in der Zeit. Die Leser werden es uns sehr wahrscheinlich danken. [Das ist jetzt eine kühne Vorhersage - ungefähr wie die (von 2008), dass ein aktiv geführter linker Blog regelmässige Leser haben wird.]
  2. Programmierte Veröffentlichungen lassen Zeit für grafisch anspruchsvollere Gestaltung. Die rechte (assoziative, grafische, intuitive, emotionale, ganzheitliche, ...) Gehirnhälfte der Leser wird aktiviert. Wir erzielen eine größere Wirkungstiefe.
  3. Zuverlässiges Erscheinen schafft Vertrauen in die Publikation und damit auch den Wahrheitsgehalt der Nachrichten. Dass die BILD-Zeitung mal ausfällt - das hat es wohl noch nicht gegeben. Wir erzeugen bei den Lesern das unterbewusste Gefühl von Zuverlässigkeit. 19 Jahre erschien das Dresdner Blätt'l pünktlich, es konnte passieren, was wollte. 2002, als die Flut ganz Dresden lahm legte, erschien eine Not-Ausgabe - die Zeitung hätte ganz normal kommen können, aber das hätte nicht "in die Zeit gepasst". 

Montag, 12. September 2011

Strategie lernen - aus Analysen im USA-Kulturmanagement

... Forrester Research hat dazu eine internationale Studie erstellt.
Hier sind die Ergebnisse für Internet-Nutzer in den USA:

- Kreative (24%) erstellen und veröffentlichen Informationen.
- Kritiker (37%) bewerten und rezensieren Inhalte.
- Sammler (21%) taggen und organisieren z.B. von links und Gruppen.
- Mitmacher (51%) sind Mitglied in sozialen Netzwerken.
- Beobachter (73%) lesen Blogs, gucken Videos.
- Inaktive (18%) nutzen das Internet nicht.

Die grosse Mehrheit der Nutzer sind sogenannte passive Nutzer. Sie sind Mitglieder in digitalen, sozialen Netzwerken und Beobachter, die Ihre Posts lesen und Videos gucken, aber nicht kommentieren.

Hier sollte Ihre Strategie ansetzen. Entwickeln Sie Maβnahmen, um diese Nutzer zur aktiven Teilnahme zu motivieren. Versuchen Sie immer, den Nutzer auf die nächste Ebene führen. Erster Schritt: Jemand besucht Ihre Internet-Seite. Zweiter Schritt: Laden Sie den Nutzer ein, Fan Ihrer Facebook-Seite zu werden. Dritter Schritt: Machen Sie Einträge, die zur Reaktion (likes, tags und Kommentare) einladen. Vierter Schritt: Fördern Sie Diskussionen, bei denen nicht Ihre Organisation, sondern ein Fan den ersten Eintrag macht und somit das Thema bestimmt.
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Gefunden (auch zum vollständigen Lesen) hier.

Sonntag, 11. September 2011

Lasst uns miteinander bloggen! oder Come together! (The Beatles)

Was schreibe ich bloß in meinem Blog?
Diese Frage wirft Adriano Sack in seinem Buch "Manieren 2.0. Stil im digitalen Zeitalter" (Piper Verlag München) auf:

"Das Wort Blog ist eine Synthese aus Web und Log, bedeutet also, was es ist: ein Internettagebuch. Wobei Log technischer und weniger schulmädchenhaft klingt als Diary, wie Freunde der Serie "Star Trek" bestätigen werden. Jede Episode begann mit den berühmten Worten: >Aus dem Logbuch der Enterprise...<
... Der Unterschied zum Tagebuch liegt auf der Hand: Ein Blog ist bereits im Moment des Verfassens öffentliche Angelegenheit."

Um das gilt es für uns Linke weiter zu bearbeiten:
Wichtige Grundsätze linker Politik sind öffentliches Agieren, Transparenz und tolerante Aufforderung zum demokratischen Mitmachen möglichst vieler Menschen. Hier erkennen wir deutliche Unterschiede zu dem, was wir aus der SED-Vergangenheit kennen.

  • Bloggen teilt nicht Information zu, sondern erweitert sie enorm. 
  • Bloggen schreibt nicht zensorisch vor was richtig oder falsch ist, sondern ruft zur gemeinsamen Ideenfindung auf. 
  • Bloggen blockiert nicht, sondern integriert. 
  • Bloggen bremst die Mutigen nicht aus, sondern belohnt sie. 
  • Bloggen stellt aber auch hohe Ansprüche an das Denken und an den Stil unserer Kommunikation.

Blogger hätten es in der DDR garantiert sehr schwer gehabt. Blogger aller Länder traut euch!

G. Dietmar Rode
Blogger

Samstag, 10. September 2011

«Uneingeschränkte breiteste Demokratie, öffentliche Meinung»

Ein Schriftband aus Zitaten politischer Autor/innen ist das neue Markenzeichen des Bürohauses am Franz-Mehring-Platz, Sitz der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin.

Die Zitate von Rosa Luxemburg, Peter Weiss und Karl Marx stehen für das politische Selbstverständnis und den Anspruch politischer Bildung der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Das im Design der Stiftung gestaltete Schriftband wurde am Freitag (26.8.) an der Fassadenfront des Bürohauses angebracht. Jörn Schütrumpf, Martin Wolfram und Rolf Hecker haben an der Auswahl mitgewirkt und erläutern die Zitate:

«Der einzige Weg zur Wiedergeburt ist die Schule des öffentlichen Lebens selbst, uneingeschränkte breiteste Demokratie, öffentliche Meinung.»

Dieses Zitat stammt aus der Fragment gebliebenen Arbeit „Zur russischen Revolution“, die Rosa Luxemburg in ihrer Zelle im Breslauer Gefängnis im Frühherbst 1918 verfasste (in: dies.: Gesammelte Werke, Bd. 4, S. 362). Diese Arbeit ist eine Selbstverteidigungsschrift.

Zwar hatte Rosa Luxemburg 1917 die russische Revolution begeistert begrüßt; von der Politik der Bolschewiki nach der Machtübernahme war sie aber zunehmend entsetzt – hatten die doch zügellose Unterdrückung aller Andersdenkender und Terror binnen kürzester Zeit zum neuen Markenzeichen linker Politik gemacht. Rosa Luxemburg begriff die Gefahr, die von dieser Politik für die internationale Linke – und nicht zuletzt für sie selbst – ausging, sofort. Deshalb legte sie ausführlich dar, warum für linke Politik Terror untauglich und unbeschränkte politische Freiheiten und Demokratie das Gebot der Stunde seien.

Doch selbst wenn diese Schrift noch zu ihren Lebzeiten erschienen wäre – Paul Levi konnte sie erst 1922 herausgeben –, hätte das Rosa Luxemburg wenig genützt. In der Novemberrevolution wurde sie von Anfang an als „Bolschewistin“ und »Mordbrennerin« stigmatisiert, dann gehetzt, zuletzt ermordet.

Nach dem obigen Zitat heißt es weiter: „Gerade die Schreckensherrschaft demoralisiert… Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie allein das tätige Element bleibt. Das öffentliche Leben schläft allmählich ein, einige Dutzend Parteiführer von unerschöpflicher Energie und grenzenlosem Idealismus dirigieren und regieren, unter ihnen leitet in Wirklichkeit ein Dutzend hervorragender Köpfe, und eine Elite der Arbeiterschaft wird von Zeit zu Zeit zu Versammlungen aufgeboten, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen, vorgelegten Resolutionen einstimmig zuzustimmen, im Grunde also eine Cliquenwirtschaft – eine Diktatur allerdings, aber nicht die Diktatur des Proletariats, sondern die Diktatur einer Handvoll Politiker, d. h. Diktatur im bürgerlichen Sinne, im Sinne der Jakobiner-Herrschaft… Ja noch weiter: Solche Zustände müssen eine Verwilderung des öffentlichen Lebens zeitigen: Attentate, Geiselerschießungen etc. Das ist ein übermächtiges, objektives Gesetz, dem sich keine Partei zu entziehen vermag.“

Mit dieser Schrift hat Rosa Luxemburg der internationalen Linken ein Vermächtnis hinterlegt, das sie bis heute überfordert. (Jörg Schütrumpf)

«So kommt der Schreibende auf einem Umweg über den Zerfall und die Machtlosigkeit zum Schreiben, und jedes Wort, mit dem er eine Wahrheit gewinnt, ist aus Zweifeln und Widersprüchen hervorgegangen.»

aus: Peter Weiss:Laokoon oder Über die Grenzen der Sprache.
in: Peter Weiss: Rapporte. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1968. S. 187.

Der Dichter, Maler und Filmemacher Peter Weiss, der am 8. November 1916 in Nowawes (bei Berlin, heute Teil von Potsdam) geboren worden war und am 10. Mai 1982 in Stockholm starb, hatte diese Worte am 23. April 1965 in Hamburg gesprochen, am Ende seiner Rede, die er hielt, als er den Lessingpreis der Freien und Hansestadt entgegennahm.

Da hatte er gerade erst die deutsche Sprache wieder errungen, mit der er als Jugendlicher in seinen Tage-, später Notizbüchern verschloss, was Einsamkeit, Qual und Tortur ihm bedeuteten, wie er sie deutete, dem Sohn eines jüdischen Textilfabrikanten ungarischer Herkunft und einer Schauspielerin aus Basel, im Elsaß aufgewachsen. Die Eltern und sechs Geschwister ziehen 1918 nach Bremen, 1929 nach Berlin, 1934 nach England, 1936 in die Tschechoslowakei, 1938 nach Schweden, Peter Weiss folgt den Eltern über die Schweiz im Jahr des Kriegsbeginns. Der Vater leugnet die jüdische Herkunft, will noch 1934 der SA beitreten, nirgends ist Sicherheit, ist Heimat, Weiss nennt dies seine "Unzugehörigkeit".

Er will diese Unsicherheit ergründen und erst langsam, erst in deutscher Sprache ab 1960 weitet er die Selbstergründung aus und wird gelesen. So werden Fremdheit und Qual Geschehnisse zwischen Menschen und er ergründet sie an Orten der Tortur: Auschwitz, Vietnam. Die bis dahin zurückgelegte Entwicklung beschreibt Weiss in seiner Rede fast bildhaft am Verhältnis zur Sprache, mit der er den Übermachten auf der Spur ist. Mit Worten teilt er uns mit, was er entdeckt hat, eine Wahrheit, verlässlich und vorläufig, die nur wahr ist, wenn sie sozial wirksam wird. Andernfalls muss nichts entdeckt und mitgeteilt werden.

Weiss stellt die redlich errungene Wahrheit der Machtlosigkeit gegenüber und mahnt damit an Marx' 2. Feuerbachthese: „Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, d. h. die Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit eines Denkens, das sich von der Praxis isoliert, ist eine rein scholastische Frage.“ (Martin Wolfram)



«Die soziale Revolution kann ihre Poesie nicht aus der Vergangenheit schöpfen, sondern nur aus der Zukunft.»

(im Original: „Die soziale Revolution des neunzehnten Jahrhunderts […]“)
Zitat aus der Schrift von Karl Marx: Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte, die er in der Zeit von Dezember 1851 bis März 1852 geschrieben hat. Veröffentlicht in deutscher Sprache in New York 1852.
Veröffentlicht in: MEW 8, 9. überarbeitete Auflage 2009. Zitat: S. 117; siehe auch MEGA² I/11, Berlin 1985, S. 101.
Karl Marx, geboren am 5. Mai 1818 in Trier, gestorben am 14. März 1883 in London.

Marx’ materialistische Geschichtsauffassung und Dialektik kommen in der Streitschrift „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte“ über den Staatsstreich Bonapartes vom 2. Dezember 1851 zum Ausdruck. Sie wurde nicht nur zu einem Glanzstück der Analyse eines politischen Ereignisses, sondern erfuhr auch eine einzigartige Editions- und Rezeptionsgeschichte. Schon Zeitgenossen erkannten die Bedeutung dieser Schrift, wie Ferdinand Freiligrath, der Marx lobte: „Ich mache Dir mein Compliment. Etwas Besseres, Schlagenderes, Witzigeres ist noch nicht gedruckt worden über die Geschichte.“ (18. Juni 1852, in: MEGA² III/5, S. 409.)

In zunächst brieflicher Konsultation mit Friedrich Engels, dann um Weihnachten 1851/Neujahr 1852 während dessen Aufenthalts in London in mündlicher Diskussion, wurden die mit der Ausarbeitung dieser Schrift verbundenen Probleme erörtert. Marx sammelte und systematisierte das Material und entwickelte Vorstellungen über die Anlage der Arbeit. Als Joseph Weydemeyer am 17. Dezember 1851 aus New York ankündigte, daß er die Wochenzeitung „Die Revolution“ vorbereite, meldete Marx sofort eine Fortsetzungsreihe unter dem Titel „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte“ an. Aus verschiedenen Gründen kam es dann doch nicht zu Fortsetzungen, sondern zu einer Broschüre, die Ende Mai 1852 in New York erschien.

Die Idee zu dieser Schrift war nach dem Staatsstreich Louis Napoléon Bonapartes entstanden, der am 18. Brumaire des französischen Revolutionskalenders der Nationalversammlung das Todesurteil verkündet hatte. Ein Jahr später ließ er sich als Napoléon III. zum Kaiser der Franzosen ausrufen. Den Anfang in Marx’ Schrift bildet die Hegelsche Bemerkung, daß „alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereigne[te]n“, und er fügt hinzu: einmal als „große Tragödie“, das andere Mal als „lumpige Farce“. Zu Beginn seiner Analyse steckte Marx den Rahmen ab: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“ Allerdings schien das Neue offensichtlich die Flucht in das Vergangene zu provozieren, denn „gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf“. Marx forderte hier dreierlei: eine historisch-kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte, die sich zweimal ereigne, eine Formulierung programmatischer Inhalte ohne Mystifikation des Vergangenen, sowie soziale Gerechtigkeit, da die Menschen ihre Geschichte selbst machten. In diesem Kontext ist das ausgewählte Zitat zu sehen.

Der „18. Brumaire“ ist nach dem „Kommunistischen Manifest“ eine der meist zitierten Schriften von Marx und steht im Mittelpunkt der Debatten um Klasseninteressen, revolutionäre Veränderungen und Chancen einer Demokratie. (aus dem Vorwort zu MEW, Bd. 8, von Rolf Hecker)